Die Geschichte des Fechtens

Die Anfänge des Fechtens:

Aus der Notwendigkeit sich vor den Gefahren der Natur zu schützen, haben die ersten Menschen Waffen in Form von Faustkeilen und Langspeeren entwickelt. Die ersten sportlichen Aspekte im Umgang mit Waffen findet man im von vielen Kulturen betriebenen Stockfechten, zum Beispiel dem japanischen Kendo. Auf ägyptischen Reliefs findet man den Beweis dafür, dass die Ägypter das Fechten mit Papyrusstengeln bereits mit modernen Fechtpositionen (Quart, Quint) betrieben (Relief am Tempel von Abu Simbel um 1370 v. Chr.). Damit ist das Fechten lange vor den olympischen Spielen des Altertums, die 776 v. Chr. In Olympia zum ersten Mal stattfanden, ein etablierter Sport.

Der Siegeszug des Schwertes:

Bei den Spielen der Antike wurden Metallschwerter eingesetzt, so zum Beispiel bei der olympischen Disziplin des Waffenlaufs oder den römischen Gladiatoren im Kolosseum. Auch die germanischen Stämme, die letztendlich das römische Reich zu Fall brachten, machten das Schwert zu ihrer Waffe. Auch hier, zum Beispiel bei den Alemannen, findet man den nichtblutigen, sportlichen Umgang mit Waffen, der in einem Schwerttanz Ausdruck fand. Alte germanische Waffenbräuche beeinflussten auch die Entwicklung des Rittertums im Mittelalter. Schwere Harnische und mächtige, oft zweihändig geschwungene Schwerter verhinderten einen beweglichen, durchdachten Fechtstil. Hier war die reine Kraft der Kunst überlegen. Turniere und sportliche Wettkämpfe findet man jedoch auch im Rittertum, so gab es schon in den Anfängen im 10. Jahrhundert den „Tjost“, einen sportlicher Zweikampf in abgesteckten Schranken hoch zu Ross, aber auch den „Buhurt“, ein manöverartiges Schaugefecht zwischen zwei Gruppen von Kämpfern.

Ablösung des Schwertes durch den Degen:

Eine grundlegende Veränderung im Fechten beginnt im 14. und 15. Jahrhundert. Die technische Entwicklung mit Pneumatik und Pistolentechnik wird im Kampf zunehmend wichtiger, Geschosse durchdringen die schweren Ritterrüstungen wie Blechbüchsen, die logische Folge ist eine „Entrüstung“. Die schweren Rüstungen werden abgeschafft, die Schwerter kleiner und handlicher. Angriffe des Gegners müssen mit Paraden abgewehrt werden. Erstmalig werden bekannte Techniken von den „Schirmmeister“ genannten Fechtlehrern auch schriftlich festgehalten. Erste Grundlagen der modernen Fechttheorie werden von Johann Lichtenauer (1389) und Hans Thalhoffer niedergeschrieben. Mit der Buchdruckkunst Gutenbergs war die rasche Verbreitung fechterischer Werke möglich. So sind allein zwischen 1516 und 1721 rund 50 Bücher über das Fechten erschienen, die das ganze Spektrum der damaligen Theorie des Waffenkampfes beschreiben. Der Begriff „Fechten“, der schon im Hildebrandlied um 815 auftaucht, wird durch die Bibelübersetzung Martin Luthers (1. Korintherbrief 1522) endgültig Teil der deutschen Sprache. Zahlreiche heute übliche Redewendungen haben ihren Ursprung im Fechten „Wortgefecht“, „zweischneidig“, „Schlag auf Schlag“, „auf der Hut“ oder „verschlagen sein“.

Die Blütezeit des deutschen Fechtens:

Nach dem Niedergang der Ritterzeit (Ende des 15. Jahrhunderts) musste sich das sich in den Städten bildende Bürgertum gegen äußere Feinde zur Wehr setzen. Dies förderte die Entstehung von Fechtgesellschaften nach dem Vorbild der Zünfte. Das fechterische Programm der Fechtgesellschaften war sehr bunt, auf eine Waffe legte man sich nicht fest. Es wurden lange und halbe Stangen, Dolche, Zweihänder, Degen, Rapier und der Dussack, ein hölzernes Fechtgerät, verwendet. Der Dussack gilt als erste sportliche Fechtwaffe, in seiner Anwendung hat er viele Elemente der allmählich aufsteigenden romanischen Fechtweise vorweggenommen. Trotz des wachsenden Interesse des Adels am Fechten war der Niedergang des städtischen Fechtens eingeleitet vom Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) nicht mehr aufzuhalten. Die Bildung des Militärs beendete schließlich die Verteidigungsnotwendigkeit der Bürger und führte zur Schließung der Fechtgesellschaften. Erst 200 Jahre später, im 19. Jahrhundert, wird die deutsche Fechtkunst wiederbelebt. Während der langen Stillstandsperiode hielt die Fechtmeister-Dynastie der Kreußler die deutsche Klingentradition aufrecht. Wilhelm Kreußler gilt als der Gründer der deutschen Stoßfechtschule. Pervertiert wurden diese Traditionen besonders in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch sich duellierende Studenten auf dem Paukboden. Diese „schlagenden“ Studentenverbindungen sind auch heute noch in alten Universitätsstädten vertreten, die von ihnen gelebte Praxis der gegenseitigen Verletzung wird nicht strafrechtlich verfolgt.

Die romanische Fechtkunst:

Während das Fechten in Deutschland an Bedeutung verlor, erlebte es in den romanischen Ländern eine Renaissance. In der italienischen Glanzzeit im 17. Jahrhundert macht Camillo Agrippa mit seiner Lehre das Fechten zu einer Wissenschaft. Er gilt als Erfinder der vier Faust- und Klingenlangen Prima, Seconda, Terza und Quarta, sowie des Ausfalls. Er konzentrierte das Fechten auf den effektiveren, zeitsparenden Stoß. Agrippas Reformen beeinflussten die weitere Entwicklung in Europa. Nach einer kurzen Blütezeit des Fechtens in Italien, gerät auch Italien in eine Fechtkrise. Frankreich übernimmt die Führungsrolle im Fechten in Europa. Das Florett, ursprünglich als Übungswaffe für den Degen geschaffen, wird zu einem eigenen Waffentyp. Das Florettfechten wird von Charles Besnard konzipiert und hoffähig gemacht. Dem Säbel bahnt Giuseppe Raedelli in Mailand den Weg. Er entwickelt ein System für das damalige Chaos im Hiebfechten. Durch das Aufkommen der Fechtmasken um 1700, lederne oder gelötete Drahtgittermasken, wird das Fechten auch in engster Mensur gefahrlos möglich. Eine weitere Voraussetzung für das moderne, sportliche Fechten ist geschaffen.

Die Entstehung des modernen Fechtens in Deutschland:

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in Italien und Frankreich moderne Fechtschulen, wohingegen sich das Fechten in Deutschland fast ausschließlich auf das immer mehr erstarrende studentische Mensur- und das militärische Zweckfechten verengte. Die erforderliche Wende kam mit der Gründung von Vereinen. Die ersten Fechtklubs wurden 1862 in Hannover und Offenbach (1863), sowie Frankfurt (1865) gegründet. Schon 1866 fanden die ersten deutschen Meisterschaften statt. Das Dilemma des deutschen Fechtens konnten jedoch auch die 1898 existierenden 27 Fechtklubs mit 1300 Mitgliedern nicht überwinden. Die Heranführung des deutschen Fechtstils an den modernen Stil der romanischen Länder gelang im ersten allgemeinen Deutschen Fechter-Kongress 1888 in Offenbach. Hier konnte zumindest eine Aufhebung der festen Mensur beschlossen werden. Der Offenbacher Säbelfechter Jakob Erckrath lernte auf einer Auslandsreise das fortschrittliche italienische Fechten kennen. In Auseinandersetzung mit den alten Strukturen gelingt es ihm 1899 den italienischen Meister Arturo Gazzera nach Offenbach zu holen. Der Konkurrenzverein FC Hermania Frankfurt nimmt nun ebenfalls einen Italiener unter Vertrag: Francesco Tagliabó. Das Engagement der Maestri führt zum Gold-Triumph der deutschen Säbel-Mannschaft bei der Zwischen-Olympiade 1906 in Athen.

Gründung des DFB:

Ebenfalls auf Initiative von Jakob Erckrath, der sich um die organisatorische Einheit und die internationale Einbindung des deutschen Fechtens bemüht, wird am 17. Dezember 1911 in Frankfurt der Deutsche Fechter-Bund (DFB) gegründet. Auf der konstituierenden Sitzung waren 8 Vereine vertreten, Erckrath wurde zum ersten Präsidenten gewählt (bis 1925). Heute sind im DFB circa 500 Vereine mit 12.000 Mitgliedern organisiert. Auch die Gründung des Weltverbandes „Féderation International d’Escrime“ (FIE) am 29. November 1913 wurde maßgeblich von Jakob Erckrath betrieben.

Fechten zwischen den Kriegen:

Von den olympischen Spielen 1920 und 1924 wurde der DFB ausgeschlossen. Die erste Einladung zu einem internationalen Turnier erhielt der DFB 1925. Bei den olympischen Spielen von 1928, 1932 und 1936 erreichten Helene Mayer und Erwin Casmir internationale Erfolge. In Deutschland dominierten sie das Damenflorett beziehungsweise alle drei Herrenwaffen.

Fechtverbot und Neugründung des DFB:

Nach dem zweiten Weltkrieg erließen die alliierten Siegermächte ein Fechtverbot, das das Fechten als paramilitärische Übung untersagte. Fortan wird nur im Geheimen weitergefochten. Erst nach der eigenmächtigen Neugründung des DFB am 27. November 1949 wird das Fechtverbot aufgehoben. Erwin Casmir macht sich als erster DFB-Präsident der Nachkriegszeit verdient. Der nach Beschlagnahmung des FIE-Archivs und Entführung des FIE-Präsidenten durch die Gestapo misstrauische FIE nimmt den DFB am 28. März 1952 wieder auf. Damit war die Teilnahme an den olympischen Spielen in Helsinki möglich.

Fechten in der DDR:

Trotz des geringen Stellenwerts des Fechtens in der DDR wurde 1957 der Deutsche Fecht-Verband (DFV) gegründet. Angesichts dürftiger staatlicher Unterstützung und Materialknappheit musste der DFV lange auf erste Erfolge warten.
Unter dem Motto „Fair geht vor“ wurde der DFV am 8. Dezember 1991 wieder mit dem DFB vereinigt.

Aufstieg zur großen Fechtnation:

Nach der Wiederaufnahme in den FIE demonstrieren die deutschen Fechter, dass mit ihnen international zu rechnen ist. So gewinnt Heidi Schmid 1960 in Rom olympisches Gold im Damenflorett. Die nachfolgenden Erfolge sind zum großen Teil aber auch mit dem Namen Emil Beck verbunden. Der gelernte Friseur aus Tauberbischofsheim wird ein genialer Trainer, der Anfang der 70er Jahre den FC Tauberbischofsheim in ein weltweit bekanntes Leistungszentrum im Fechten verwandelt. Emil Becks Schüler Alexander Pusch gelingt in Montreal 1976 der Sieg im Degen. Mit den Degen- und Florettmannschaften gelingen ebenfalls Medaillengewinne. Das bislang erfolgreichste Jahr für die deutschen Fechter ist die Olympiade 1988 in Seoul, wo insgesamt 8 olympische Medaillen im Fechten erreicht werden. Besonders auffällig ist hier der Sieg im Damenflorett; Anja Fichtel, Sabine Bau und Zita Funkenhauser machen die ersten Plätze unter sich aus. Nach Mannschaftserfolgen 1992 im Herrendegen und Herrenflorett beigeistern 2008 in Peking Britta Heidemann und Benjamin Kleibrink, die im Damendegen und Herrenflorett zwei goldene Einzelmedaillen erreichen.

Quellen:

Andreas Schirmer: Fechten verständlich gemacht;München, 1993

http://www.fechten.org/ueber_uns/historie/olympiasieger.html

C. L. de Beaumont: Fechten nach den Regeln der Kunst; Stuttgart, 1977

Renzo Nostini: Die Kunst des Florettfechtens; Berlin, 1982

Text und Zusammenfassung:

Elisabeth Lützelberger